Mehr in Teil 2
Im Unterschied zu PSSM1 hat PSSM2 mit dem Zuckerstoffwechsel gar nichts zu tun. Daher ist die Bezeichnung PSSM irreführende und in der Fachliteratur wird immer häufiger von den equinen Typ2-Myopathien gesprochen. Es handelt sich hierbei nicht um einen GYS1-Gendefekt, sondern um mehrere Gen-Defekte, die alle den Muskel – genauer die Myofibrillen bzw. das Sarkomer – beeinflussen. Man unterscheidet bisher sechs verschiedene bekannte Genmutationen und es wird an weiteren geforscht.
Die bekannten Mutationen sind P2, P3, P4, P8, Px und K1. Je nach Variante treten unterschiedliche Muskelprobleme auf. Zum Beispiel sind bei P8 die Antioxidantien im Sarkomer betroffen, während bei K1 das Kollagen des Bindegewebes, welches die Muskelelastizität erhält, betroffen ist.
Ein Muskel besteht aus eim Bündel von tausenden Muskelfasern, in denen ein wichtiger Bestandteil – die Myofibrillen – dafür sorgt, dass der Muskel an- und abspannen kann. Das kleinste Bauteil der Myofibrillen ist das Sarkomer. Das Sarkomer besteht aus Proteinen. Alle Typ-2-Myopathien betreffen im weitesten Sinn die Myofibrillen und das Sarkomer. So fehlt zum Beispiel bei der P8-Variante das Calcium, das in den Myofibrillen den Impuls zur Muskelkontraktion ausgelöst.
Von diesen Genmutationen sind nach heutigem Stand alle Rassen betroffen, auch eher leicht bemuskelte Pferde wie Vollblüter und Warmblüter. Die Symptome ähneln denen der PSSM1-Variante und reichen von steifem Gang, Unwilligkeit und Galopproblemen bis hin zu Apathie, Aggressionen und Berührungsempfindlichkeit. Oft zeigen PSSM2-Pferde Muskeldellen und Risse, die aussehen wie Schlagverletzungen.
Schübe bei Typ2-Pferden werden also nicht durch einen Glucose-Überschuss ausgelöst, sondern durch eine negative Stickstoffbilanz. Diese entsteht, wenn die Pferde mehr Eiweiß verbrauchen als sie mit der Nahrung aufnehmen. Eiweiß wird nicht nur bei der muskulären Arbeit verbraucht, sondern auch bei Reparaturprozessen im Körper und bei Stress.
Zusammengefasst sind die bisher bekannten Typ2-Myopathien unterschiedliche Genmutationen, die alle die Grundstruktur der Muskeln angreifen. Diese wird geschädigt und ist nicht mehr belastbar. In der Ursache handelt es sich primär nicht um einen Kohlenhydrat-Überschuss, sondern um einen Aminosäuren-Mangel.
Das ist neu und für viele Pferdehalter überraschend, denn bisher wurde Eiweiß in der Pferdenahrung eher verteufelt … war nicht zu viel Eiweiß die Hauptursache für Hufrehe und Kreuzverschläge? Und genau hier liegt das Problem beim Management der Typ2-Myopathie-Pferde: man kann nicht einfach (planlos) Aminosäuren zufüttern, denn ein zu viel an Eiweiß belastet nicht nur die Nieren des Pferdes, sondern kann auch andere Krankheiten begünstigen. Außerdem ist – je nachdem welcher Typ der Typ2-Mutation vorliegt – eine besondere Aminosäuren-Struktur notwendig bzw. die Zuführung von Antioxidantien oder Calcium sinnvoll.
Folglich empfiehlt es sich, verdächtige Pferde trotz der relativ hohen Kosten zu testen (CAG ca. 300 Euro) und basierend auf dem Ergebnis eine Futtermittelberatung durch einen Experten einzuholen. Es gibt inzwischen sehr hochwertige Aminosäuren-Booster auf dem Markt. Jedoch ist nicht jedes Präparat für jeden Typ gleich gut geeignet. Auch Pferde der Typ2-Varianten profitieren von einer getreidearmen Ernährung, da der Muskel dadurch weniger belastet wird. Außerdem sollten diese Pferde ein gezieltes muskuläres Training absolvieren, da sie oft schlecht aufmuskeln und schnell abmuskeln. Regelmäßiges Training ohne Reitergewicht sollte mit moderaten Reiteinheiten abwechseln. Physiotherapeuten erstellen passende Trainingspläne für betroffene Pferde und ihre Eigentümer. Alle PSSM-Pferde sprechen gut auf Wärme an und profitieren von Eindecken, Rotlicht und Magnetfeldtherapie ebenso wie von regelmäßigen Physiobehandlungen, um die Muskulatur locker zu halten.
Und was machen wir Möhrchengeber? Wir füttern generell getreidearm und bewegen die Pferde moderat, aber regelmäßig. Bei Auffälligkeiten unserer Schützlinge testen wir auf PSSM1, wenn das negativ ist und per Auschlussdiagnostik andere Ursachen ausgeschlossen werden können testen wir auch auf PSSM 2 – trotz der hohen Kosten. Denn wir wissen, dass es für betroffene Schützlinge eine Optimierung der Fütterung und Haltung essentiell ist. Und natürlich geben wir unsere Pferde erst an eine passende Lebensstelle ab, wenn sie gut eingestellt sind.
Viel Glück allen Patienten und Ihren Betreuern wünscht Euch Eure Möhrchengeber Team
Nachdem die Pferdewelt das Thema PSSM1 verdaut hat, ist in den letzten Jahren ein neues Schreckgespenst aufgetaucht: PSSM2. Auch bei Möhrchengeber sind wir mit diesen Gendefekten und ihren Auswirkungen konfrontiert und haben unter unseren Schützlingen Pferde, bei denen der Verdacht auf einen PSSM-Gendefekt als Ursache ihrer Beschwerden vorliegt.
Doch Vorsicht: nicht alle Steifigkeiten, Lahmheiten und Abwehrreaktionen können durch PSSM erklärt werden. Daher haben wir uns etwas genauer mit dem Thema beschäftigt.
Was ist denn eigentlich PSSM?
Zunächst muss man PSSM1 und PSSM2 unterscheiden, da zwar ähnliche Symptome auftreten können, diese jedoch eine ganz unterschiedliche Ursache haben. Bei PSSM1 sagt schon der Name um was es geht: Poly Sacharid Storage Mypoathie. Ein vererbter Gendefekt (es handelt sich um das GYS1 Gen), der dazu führt, dass der Zuckerstoffwechsel des Pferdes gestört ist. Kohlenhydrate und Zucker aus der Nahrung wird im Magen/Darm resorbiert und in die Blutbahn abgegeben als Energielieferant für die Muskeln. Wird diese Energie nicht direkt verbraucht, dann wird die Glucose in der Muskulatur eingelagert. Bei PSSM1-Pferden wird zu viel eingelagert und außerdem werden die Speicher abnormal verkettet, das heißt es wird auch schwerer die Glucose wieder abzubauen.
Das Pferd kann deshalb – trotz vorhandener Kohlenhydrate – in ein Energiedefizit geraten. Und wenn der Abbau der Glucose stattfindet, können Muskelfasern zerstört werden. In diesem Fall kommt es zu einem akuten myopathischen Schub mit Bewegungsunfähigkeit, starken Schmerzen, Muskelzittern, Schwitzen und Kreislaufproblemen. Ein absoluter Notfall, bei dem sofort ein Tierarzt helfen muss. Das Pferd darf auf keinen Fall weiter bewegt werden und muss warm gehalten werden. Der Schub ist nicht nur sehr schmerzhaft, sondern die Muskulatur wird dauerhaft geschädigt und die Niere durch die Abbauprodukte stark belastet. Daher sind Schübe unbedingt zu vermeiden.
Generell sollte ein PSSM1-Pferd kohlenhydrat- und zuckerarm ernährt werden und ständig die Möglichkeit haben, sich frei zu bewegen. Ideal ist ein Offenstall oderPaddocktrail. Moderates Training ohne Belastunsgsspitzen und die Vermeidung von Stehtagen sind sehr wichtig. Stress sollte vermieden werden, daher stellt sich die Frage, ob PSSM1-Pferde im Turniersport geritten werden sollten. Da alle Myopathie-Patienten von Wärme profitieren, sollten PSSM1-Pferde eingedeckt werden. Ein Test (z.B. bei Laborklin ca 60 Euro) schafft Klarheit und ist daher bei Verdacht zu empfehlen, um die Ernährung zu optimieren.
Zusammengefasst: beim PSSM1-Pferd können Kohlenhydrate und Zucker aus der Ernährung, die nicht sofort verbraucht werden, zu Kreuzverschlag-Symptomen führen wobei die Muskulatur dauerhaft geschädigt und die Niere stark belastet wird. Betroffene Pferde benötigen unbedingt ein angepasstes Futter- und Haltungsmanagement.
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